Leben

Die größte Bewegung der letzten Jahrzehnte

Text: Diana Danbauer

Nordic Walking hat es innerhalb weniger Jahre vom belächelten Phänomen zum Breitensport geschafft. Und das aus gutem Grund.

Frau beim Nordic Walking
Mikko Lemola iStock Getty Images Plus

Nordic Walking ist eine Ausdauersportart. Lange bevor sich das Gehen mit speziellen Stöcken zum Breitensport entwickelte, galt Nordic Walking als erfolgreiche Trainingsmethode für Läufer, Wanderer und Skilangläufer. Definiert als eigenständige Sportart hat es in den 1970er-Jahren der finnische Trainer Mauri Repo. Die internationale Bekanntheit kam 1999. In diesem Jahr hat auch Erwin Gollner, Studiengangsleiter an der Fachhochschule Burgenland und Leiter des Departments Gesundheit den medizinischen Mehrwert in Kur und Rehabilitation integriert: „Wir haben im Kur-Bereich in Bad Tatzmannsdorf nach einer aktiven Therapieform gesucht. Wir wollten nicht mehr nur passive Therapien wie Massagen oder Elektrotherapie einsetzen. So haben wir Nordic Walking zu einer aktiven Bewegungstherapie transformiert“, erzählt Gollner. Nordic Walking ist für ambitionierte Sportler ebenso geeignet wie für untrainierte Menschen. „Sport und Bewegung sind keine Frage des chronologischen, sondern vielmehr des biologischen Alters“, so der Sport- und Gesundheitswissenschaftler. „Ein wichtiger Bestandteil des biologischen Alters ist Mobilität, also in Bewegung zu bleiben. Und so lange man mobil ist, kann man Nordic Walking machen.“

Die richtige Ausrüstung

Ein Vorteil beim Nordic Walking ist, dass nicht viel Equipment nötig ist. Die Nordic-Walking-Stöcke sind im Sporthandel in unterschiedlichen Preisklassen erhältlich. Wichtig ist die richtige Länge der Stöcke und das richtige Schlaufensystem. Es gibt Berechungsformeln für die Stocklänge. Gollner rät: „Die Stöcke dürfen nicht zu lang sein. Stellen Sie die Stöcke vor die Zehenspitzen. Zwischen Ober- und Unterarmen sollte ein Winkel zwischen 100 und 110 Grad sein. 90 Grad sind zu wenig.“
Beim Schuhwerk empfiehlt es sich, einen klassischen Laufschuh zu wählen. Durch die Stabilität und Dämpfung im Fersenbereich bzw. der gesamten Sohle wird ein flüssiges Abrollen gewährleistet.

Die richtige Technik

Doch so einfach, wie es auf den ersten Blick aussieht, ist Nordic Walking nicht. Mit der richtigen Ausrüstung ist es noch nicht getan, will man wirklich Nordic Walken und nicht nur mit Stöcken in der Hand spazieren gehen. Doch was ist nun der Unterschied, zwischen „Spazierengehen mit Stöcken“ und „Nordic Walking“? „Die Technik und die damit einhergehenden positiven Auswirkungen auf den Körper machen den Unterschied. Viele glauben, es genügt, beim Gehen einfach zwei Stöcke in die Hand zu nehmen. Doch das ist noch nicht Nordic Walking. Selbstverständlich ist es immer noch besser, eine Stunde mit Stöcken spazieren zu gehen, als eine Stunde auf der Couch fernzusehen. Doch den wirklichen Trainingsbenefit erzielt man nur mit der richtigen Technik“, erklärt Gollner. Und dieser Benefit kann enorm sein: „Der effiziente Einsatz der Stöcke macht den Unterschied. Leistungsphysiologisch ist Bewegung immer dann besonders gesund, wenn man einen hohen Aktivierungsgrad der Muskulatur erreicht. Erwiesenermaßen ist die Muskulaturaktivierung beim Skilanglauf und beim Nordic Walking am höchsten.“ 
Der Vorteil beim Nordic Walking – gerade auch für ältere Menschen – liegt darin, dass es sich dabei um eine außergewöhnlich gesunde Bewegungsform handelt. „Beim Nordic Walking kommt man kaum in den anaeroben Trainingsbereich. Bei richtiger Technik und Trainingsbelasung ist die Gefahr der Überbelastung bzw. Verletzung sehr gering. Zu stürzen ist die einzige Gefahr. Wenn Sie beim Nordic Walking einen Herzinfarkt bekommen, dann wäre das vermutlich auch im Sitzen passiert.“

Sport für alte Menschen – na und?

Noch immer wird Nordic Walking oft als „Sport für alte Menschen“ abgetan. Grundsätzlich ist Nordic Walking eine Sportart für alle Menschen. Von den zahlreichen Vorteilen profitieren natürlich alle. Gerade diese Vorteile sind eben auch für Ältere von Nutzen. Abgesehen davon, reagiert Gollner darauf mit einem vehementen „Na und?“. Zudem geht es auch hier weniger um das chronologische Alter. „Einer der großen Benefits von Nordic Walking ist, dass damit viele Menschen aktiviert wurden, die vorher überhaupt keine Bewegung gemacht haben. Das ist für jeden Einzelnen, aber auch volkswirtschaftlich gesehen eine absolute Verbesserung“, so Gollner. Diese Erfahrung hat der Sportpsychologe bereits mit zahlreichen Kurgästen gemacht, die er im Zuge ihres Reha-Aufenthaltes in Bad Tatzmannsdorf in Nordic Walking ausgebildet hat. „,Endlich ein Sport für uns Unsportliche‘ habe ich immer wieder gehört. Und wenn ich Menschen, die 20 Jahre keinen Sport gemacht haben, dazu bringe, sich wieder regelmäßig zu bewegen, dann hat das natürlich positive gesundheitliche Auswirkungen.“ Mittlerweile sind rund eine Million Österreicher*innen mit Stöcken unterwegs. Ob das nun immer technisch einwandfrei Nordic Walking ist oder Spazierengehen mit Stöcken –, es ist in jedem Fall Bewegung an der frischen Luft, von der Körper und Geist profitieren werden.

Apropos Körper und Geist

Nordic Walking kann abseits der offensichtlichen körperlichen Vorteile auch positive Auswirkungen auf die geistige Gesundheit und das Wohlbefinden haben. Diese Sportart kann man gut zu zweit oder in der Gruppe ausüben. Es gibt österreichweit zahlreiche Angebote, unverbindlich und kostenlos an gemeinsamen Nordic-Walking-Kursen und -Ausflügen teilzunehmen. Die Wiener Gesundheitsförderung WiG bietet beispielsweise gemeinsam mit Wiener Apotheken in mehreren Bezirken das Projekt „Bewegte Apotheke“ an. Die ganzjährig wöchentlich stattfindenden Nordic-Walking-Treffen sind kostenlos und ermöglichen einen unkomplizierten Einstieg ins Nordic Walking. Wenn Sie dabei auch noch quatschen und lachen, trainieren Sie sogar zusätzlich die Gesichtsmuskulatur.

DIE VORTEILE

Nordic Walking ist eine außergewöhnlich gesunde Bewegungsform:

  •     Training im aeroben Ausdauerbereich und daher 
  •     kaum Verletzungsgefahr
  •     Kräftigung beinahe des gesamten Körpers bei 
  •     richtiger Technikanwendung
  •     Der Einstieg ist jederzeit möglich. Koordinationstraining durch den Bewegungsablauf Arme/Beine/Stöcke, was vor allem für die Sturz Prophylaxe wichtig ist.

Nordic Walking ausprobieren

Wer Nordic Walking kostenlos und unkompliziert ausprobieren will, kann sich beispielsweise dem Projekt „Bewegte Apotheke“ anschließen. Die Wiener Gesundheitsförderung WiG bietet in Kooperation mit Wiener Apotheken wöchentlich Nordic Walking-Treffen an.

  •        Treffpunkt ist die Apotheke.
  •         Das Angebot ist kostenlos.
  •         Der Einstieg ist jederzeit möglich.
  •         Die Termine werden von Bewegungstrainer geleitet.
  •         Es eignet sich für Einsteiger, aber auch für Personen, die Spaß an regelmäßiger Bewegung in einer Gruppe haben.
  •         Walking-Stöcke werden bei Bedarf zur Verfügung gestellt.

Bei Interesse einfach kurz in der jeweiligen Apotheke informieren und mitmachen.
Die Übersicht aller teilnehmenden Apotheken finden Sie hier.

Zur Person

Prof.(FH) Mag. Dr. Erwin Gollner MPH MBA ist Studiengangsleiter an der Fachhochschule Burgenland und Leiter des Departments Gesundheit. Der Sport- und Gesundheitswissenschaftler hat Nordic Walking im Gesundheitsbereich in Österreich integriert und zwei Bücher zum Thema verfasst.

Erwin Gollner
Erwin Gollner (Foto: FH Burgenland)