Respektieren statt kommandieren
Respektvolle Berührungen und einfühlsame Körpersprache sind für eine gelungene Hund-Mensch-Beziehung wichtig. Ein Hundecoach kann als Dolmetscher schwierige Situationen auflösen.
Text: Cecile M. Lederer
"Ich habe mir das Leben mit Hund anders vorgestellt“, erzählt Sabine, frisch pensioniert. „Schöne Wanderungen mit Freunden, gemeinsame Reisen, ... aber beim Spaziergang bellt Balu jeden Hund und Menschen an und reißt mich an der Leine fast um. Jetzt lasse ich ihn aus Angst nur noch in den Garten“, erzählt die Mittsechzigerin verzweifelt in der ersten Coaching-Stunde und massiert dabei ständig über Balus Kopf. Ihr Tierschutz-Rüde ist ein Mischling, der bei jeder ihrer Berührungen seinen Kopf leicht wegduckt, sich über den Fang leckt und den Körper anspannt, während sich sein Blick frustriert verhärtet. Er kommt der Hand aber kaum aus.
Im Coachinggespräch wird herausgearbeitet, wie sie ihre Berührungen bewusster einsetzen kann, um den Individualraum des Hundes zu respektieren – den Hund also nicht ständig zu „konsumieren“ für das eigene Bedürfnis nach Halt oder Liebe. Der Coach nimmt den Fokus vom Hund, dreht Kopf und Körper leicht zur Seite, um ihm nicht zusätzlich Druck zu machen. Balu entspannt sich merkbar. Sabines Antwort wirkt betroffen: „Er liebt es aber, gestreichelt zu werden. Zu Hause ist er so ein anhänglicher Kuschler, ständig liegt er auf der Couch auf mir drauf und läuft mir in der Wohnung nach.“ Das kann auf ein Kontrollverhalten hindeuten. Mehr, als auf den Wunsch nach Nähe. Ganzheitlich betrachtet wäre die Pöbelei beim Spaziergang dadurch nachvollziehbar, erfordert aber eine genaue Einschätzung.
Auch Rudolf beschreibt ein prägendes Erlebnis mit seinem Malteser Berti: „Aus dem Nichts heraus hat er bei der Fellpflege kurz geknurrt und daraufhin meine Frau gebissen.“ In diesem Fall haben Rudolf und seine Frau Bertis vorangegangene Warnsignale nicht erkannt, bevor er deutlicher wurde. Im Coaching wird gezeigt, wie Fellpflege für Berti ein entspanntes und respektvolles Miteinander sein kann. Dabei geht es nicht nur um die Körpersprache des Hundes, sondern auch um unsere eigene. Umarmung und Druck können bei einem bereits gestressten Hund das Fass zum Überlaufen bringen.
In beiden Fällen lassen sich Stück für Stück die Beziehungsqualität zwischen Hund und Halter im Alltag verbessern. Vermeintliches Fehlverhalten des Hundes ist nicht selten auf unsere eigene ambivalente Körpersprache zurückzuführen.
Schuld ist das andere Ende der Leine?
Unwissen und Fehlinformation sind oft Ursache von Problemen. Besonders Hunde aus dem Auslandstierschutz bringen Verhaltensweisen mit, die ihnen eine gewisse Eigenständigkeit verleihen. Gerade diese brauchen aber einen aktiv handelnden und beharrlichen Ansprechpartner an ihrer Seite.
Die Praxis zeigt: Der Hund wird vermehrt aus einer gewissen Bedürftigkeit heraus angeschafft: Aus dem Wunsch in Beziehung zu gehen, als Stimmungsaufheller, Ehekitt und Kinderersatz, Statussymbol, oder um wieder Leichtigkeit und Freiheit zu spüren, oft auch aus dem Wunsch zu helfen. Genau diese Bedürftigkeiten degradieren das Gegenüber zu einem Konsumprodukt ohne Mitspracherecht. Wir kommandieren und der Hund muss funktionieren. Wir greifen ihn an und er muss es aushalten. Hohe Erwartungshaltungen verhindern, den Hund im Hier und Jetzt wahrzunehmen und in Konfliktsituationen richtig agieren zu können. Aus Hundesicht wirken wir dadurch passiv, unauthentisch, zahnlos und zögerlich. Wir agieren nicht gelassen, selbstbewusst und mit gutem Plan, sondern reagieren hektisch, wenn der Hund das Gespräch mit „dem Außen“ schon lautstark übernommen hat. Wenn wir uns auf die Kommunikation mit Hunden einlassen, lernen wir, unser Bauchgefühl besser wahrzunehmen und im Moment authentisch zu handeln. Hunde zeigen uns genau, wer wir gerade sind. Mit ihrem „SEIN“ umzugehen, liegt in unserer Verantwortung.
So kommunizieren Sie mit dem Hund
Will der Hund gestreichelt werden?
Fragen Sie Ihren Hund, indem Sie sich entspannt auf den Boden knien und ihn absichtslos und mit offener Körperhaltung einladen. Wenn er kommt, berühren Sie mit flacher Hand seine Brust. Warte sie auf seine Reaktion.
Ja, er will!
Lehnt sich Ihnen der Hund erneut entgegen? Ist die Muskulatur entspannt, der Kopf zugewandt und der Blick weich? Dann streicheln Sie ihn weiter.
Nein, er will nicht!
Beginnt der Hund sich über den Fang zu lecken, den Atem anzuhalten oder zu gähnen? Dann testen Sie es vielleicht an einer anderen Stelle mit unterschiedlichem Druck. Wendet er Kopf und Körper ab, stupst mit Nase und Zunge ins Gesicht, fixiert er die Hand mit dem Maul, zeigt das Weiße in den Augen oder erstarrt im Blick oder Körper? Dann beenden Sie die Aktion. Freuen Sie sich trotzdem darüber, dass Ihr Hund mit Ihnen kommuniziert.
Die Autorin
Cecile M. Lederer arbeitet hauptberuflich und österreichweit als körpersprachlich orientierter, ganzheitlicher Hundecoach.
www.dog-orange.com