Unsere Haut: Multitalent und Spiegel der Seele
Dermatologe Johannes Neuhofer schwärmt von der Haut als vielseitigem Organ. Im Interview verrät er Tipps zur Vorsorge und Hautpflege im Alter – und warum dazu auch „Balsam für die Seele“ zählt.
Interview: Anita Gross
SEIN: Die Haut ist ein Wunderwerk der Natur. Was kann sie alles?
Johannes Neuhofer: Die Haut hat unglaublich vielfältige Aufgaben. Sie ist einerseits der Schutz nach außen gegen Wind und Wetter, andererseits quasi eine Klimaanlage nach innen, damit im Körper die Temperatur gleich bleibt und alle biochemischen Abläufe perfekt funktionieren. Des Weiteren bietet die Haut mechanischen Schutz. Es ist auch so, dass Erkrankungen des Organismus auf der Haut sichtbar werden, z. B. Herzkrankheiten oder Diabetes. Die Haut ist mehr oder minder auch ein Reflexionsorgan für das Psychische – die Seele. Und nicht zuletzt ist die Haut ein Immunorgan, die dendritischen Zellen zeigen an, ob man etwas verträgt oder nicht. Die Haut ist also ein ganz wesentliches Multitalentorgan. Sie hält unglaublich viel aus, man kann sie aber schon überfordern, z. B. durch Extremtemperaturen oder übermäßige UV-Belastung. Dann funktioniert die Feinabstimmung der Gefäße nicht mehr, d. h., dass sie sich bei Kälte zusammenzieht und auseinandergeht, wenn sie Wärme abgeben will.
Wie verändert sich die Haut im Laufe der Lebensjahrzehnte?
Die Haut ist auch beeinflusst von Hormonen, das sieht man ganz stark in der Menopause der Frauen. Auch die Männer haben einen Abbau, aber nicht so abrupt. Die Haut wird im Alter dünner, die Haarwurzeln werden schwächer, die Talgdrüsen sind weniger aktiv. Die Haut fühlt sich dann oft trocken an und neigt schneller zu Ekzemen und Juckreiz. Das beginnt meist bei den Unterschenkeln und den Unterarmen. Des Weiteren werden die elastischen Fasern weniger, die Haut wird faltiger. Wenn man z. B. die Stirn runzelt, geht das in der Jugend wieder zurück, im Alter – und auch bei UV-Schäden – nicht. Die Haut wird auch verletzlicher, die Hyaluronsäure, die das Wasser in der Haut bindet und sie prall macht, nimmt ab.
Wie kann man die „erfahrene“ Haut unterstützen?
Wenn es draußen kalt ist und drinnen die trockene Heizluft, dann kommen diese Probleme noch mehr zum Vorschein. Man sollte sich mit rückfettenden, seifenfreien Waschmitteln reinigen und pflegende Salben verwenden. Auch von innen sollte man die Haut unterstützen. Ich empfehle da gerne pflanzliche Substanzen, die in Asien sehr viel verwendet werden und den Abbau der Haut, Haare und Nägel verlangsamen helfen. Dazu zählen etwa Kwao Krua Kao (Pueraria Mirifica, Anm.) oder der Indische Wassernabel (Gotu Cola, Centella Asiatica, Anm.). Manche Gynäkologen empfehlen auch Hormone, das ist aber ein zweischneidiges Schwert. Denn einfach nachzuschütten, was fehlt, funktioniert nicht wirklich. Die ewige Jugend werden wir trotz aller Künste nicht schaffen, allerdings vielleicht einen sanfteren Abbau der Haut. Natürlich ist auch eine psychische Thematik damit verbunden. Wenn die Falten mehr werden, die Haare dünner, ist das nicht erfreulich. Aber es ist wichtig, sich nicht auf diesen Abbau zu konzentrieren – damit man nicht in eine gedankliche Negativ-Spirale hineinfällt. Das heißt, eine gewisse positive Sichtweise ist sicher vernünftig oder auch eine individuelle Beratung mit einem Dermatologen, dem man auch vertraut und der einen begleitet.
Welche Krankheiten der Haut kommen bei 60plus besonders häufig vor, worauf soll man achten?
Je älter man wird, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Hautkrebs entwickelt auf einer Haut, die nicht mehr so taufrisch ist. Das heißt aber nicht, dass man als Junger nicht Hautkrebs kriegen kann. Aber im Alter ist der Hautkrebs doch sehr häufig, vor allem der weiße Hautkrebs, der gut behandelbar ist, wenn man rechtzeitig auf die Haut schaut. Aber auch das Melanom, der schwarze Hautkrebs, wird häufiger und ist unglaublich gefährlich, weil es nur ein Fleck ist, den man oft nicht spürt. Bevor das Melanom ein erhabenes Knötchen wird, bildet es schon Metastasen. Darum unbedingt auf die Haut schauen! Ich habe eine 85-jährige Patientin mit weißem Hautkrebs gehabt, sie war bei guter Gesundheit und hatte sich gedacht, das wird in dem Alter wohl keine Auswirkungen haben. Leider hat der Tumor zu wuchern begonnen und alle Mühe war zu spät, das war furchtbar. Nur wenn man Hautkrebs früh entfernt, ist er meist heilbar. Ein Riesenvorteil ist ja, dass der Krebs an der Oberfläche ist, im Gegensatz zu einem Tumor im Körperinneren. Nur – man muss hinschauen! Wenn man sich nicht sicher ist, dann bitte nicht googeln, sondern den Hautarzt zu Rate ziehen. Dann sehen wir im Alter sehr oft die Auswirkungen der trockenen und empfindlicheren Haut: Das ist verbunden mit Juckreiz, es bauen sich Ekzeme auf. An den Unterschenkeln können Stauungsekzeme entstehen, wenn der Kreislauf nicht mehr so gut funktioniert oder Krampfadern da sind. Auch Ekzeme kriegt man meistens ganz gut in den Griff, wenn man sie rechtzeitig behandelt.
Sie haben vorhin gesagt, die Haut reflektiert Körper und Seele. Kann man sagen, was wichtiger ist und was wäre – analog zur körperlichen Hautpflege – Balsam für die Seele?
Balsam für die Seele ist immer, wenn man glücklich ist. Wenn es einem gut geht, wenn man gute Freunde hat, mit denen man sich austauscht, wenn man in der freien Natur ist. Vor allem, wenn man entspannt in die Natur geht und da gibt es viele Methoden: Manche meditieren, manche beten, manche erfreuen sich einfach des Lebens – das ist sehr individuell. Ich würde auch gar nicht bewerten, was wichtiger ist, Körper oder Seele. Natürlich braucht die Haut Schutz vor der Umgebung, damit z. B. bei Neurodermitikern der Wasserverlust durch die Oberhaut nicht zu groß ist. Aber das Psychische ist genauso ein wichtiger Faktor, allerdings schwerer einzuschätzen. Das kann man nicht so einfach messen, auch wenn wir das nicht wahrhaben wollen. Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als wir wirklich kennen. Ich würde den Einfluss der Seele nicht unterschätzen, das heißt aber nicht, dass dadurch der Alterungsprozess, der Abbauprozess der Haut gestoppt werden kann. Aber die Haut ist ja auch ein wichtiges Empfindungsorgan. Wir fühlen damit, nicht umsonst sagen wir „etwas geht mir unter die Haut“ –, weil die Haut mehr oder minder das Wohlfühlorgan ist. Und da spielt die Seele eine ganz wesentliche Rolle.
Infos
Informationen und Broschüren, wie z. B. „Ratgeber Gesundheit“, „Hautkrebs“ oder „Ratgeber Nahrungsmittel-Unverträglichkeit“, finden Sie auf der Homepage der
Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV): www.oegdv.at
Als ersten Ansprechpartner bei dermatologischen Fragen oder auch bei der Suche nach guten Dermatologen empfiehlt Dr. Neuhofer die lokalen Hausärzte. Diese sind in der Regel gut vernetzt und arbeiten mit den Hautärzten zusammen.
Zur Person
OMR Dr. Johannes Neuhofer
Facharzt für Dermatologie und Venerologie, Wahlarzt in Linz, von 2013 bis 2022 Bundesfachgruppenvorsitzender für Dermatologie, zahlreiche Vorträge und Vorsitz bei Kongressen, Fachpublikationen, Österreich-Delegierter für die UEMS (European Union of Medical Specialists), seit Kurzem Sprecher des Referats der Österreichischen Ärztekammer für Seniorenangelegenheiten.
Autor mehrerer Bücher, z. B. „Der Johannesweg“ (Initiator) oder „Die Kosmetik-Revolution“, Kolumne in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ für Leserfragen, mehr als 20 Jahre Erfahrung mit Pflanzenmedizin.
www.dr-neuhofer.com